Die Veränderung beginnt oft schleichend: Erst eine längere Krankheit, dann kann man seinen Beruf nicht mehr ausüben, das Geld wird knapp, die Gesundheit leidet weiter. Irgendwann ist man zu kaputt für weitere Schritte. Ohne Hilfe ist es fast unmöglich, diesem Teufelskreis zu entkommen. In Mannheim gibt es dafür jetzt das Programm „STAR“.
Die Abkürzung steht für „Strategische Transformation, Aktivierung und Rehabilitation“. Das Ziel ist, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen so früh wie möglich zu unterstützen, damit sie wieder im Arbeitsleben Fuß fassen oder gar nicht erst länger arbeitslos sind. STAR wurde vom Jobcenter Mannheim entwickelt und ist Teil des Programms „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“, mit dem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales neue Konzepte fördert.
Die Teilnehmenden bringen gesundheitliche Einschränkungen oder andere Hindernisse mit, die die Arbeitssuche erschweren. Je früher sie hier Hilfe erhalten, umso leichter können sie anschließend NEUE Perspektiven finden. Das Besondere: STAR bringt dafür ein interdisziplinäres Team aus Medizin, Psychologie und beruflichem Coaching zusammen. In einem Diagnostik-Center entwickelt das Team mit den Teilnehmenden individuelle Schritte, um wieder am Leben teilhaben zu können.
In die Ausgestaltung des Diagnostik-Centers haben drei Unternehmen ihre Expertise eingebracht: Die SRH Berufliche Rehabilitation (BRH) und das Berufliche Trainingszentrum Rhein-Neckar (BTZ) unterstützen Menschen nach Unfall oder Erkrankung dabei, wieder Fuß zu fassen; das Berufsbildungswerk Neckargemünd bildet junge Menschen mit Handicap aus. Im Programm stellt das BTZ aktuell Gesundheitscoaches und Psycholog:innen, von der BRH kommen die Mediziner und beruflichen Coaches. Ende 2022 sind die ersten Teilnehmenden in Mannheim gestartet.
Das vierwöchige Programm ist freiwillig. Entsprechend hoch sei die Motivation aller, etwas an ihrer Situation zu ändern, berichtet Lena Zitzmann, Abteilungsleiterin Filialen bei der BRH, die das Angebot mit ausgestaltet hat. „Dabei geht es erst einmal darum, den Alltag wieder selbst zu meistern. Zuerst besprechen wir mit jeder und jedem, was er oder sie dafür benötigt.“
Um die gesundheitlichen Probleme in den Griff zu bekommen, werden die Teilnehmenden von einem Mediziner beraten. Coaches liefern Werkzeuge, das Gelernte umzusetzen. Etwa über eine App, mit der sich flexibel Übungen zur psychischen Gesundheit absolvieren lassen. Oder sie stellen den Kontakt zu einem Facharzt her.
Gleichzeitig haben viele Betroffene in ihrer Situation soziale Kontakte verloren oder kein Geld für Unternehmungen. Deshalb werden sie von den Mitarbeitenden zu Aktivitäten in der Gruppe ermutigt. „Schon Kleinigkeiten können bewirken, dass man dem Stillstand entkommt. Wie ein Besuch im Mannheimer Technoseum oder der Hinweis, dass man mit dem Kulturpass kostenlos kulturelle Einrichtungen besuchen kann. Der Austausch in der Gruppe hilft außerdem dabei, den Alltag zu bewältigen“, erklärt Lena Zitzmann.
Für erste Ideen, wo es nach STAR hingehen kann, ermitteln die Teilnehmenden in einem zertifizierten Messverfahren ihre Kompetenzen und Interessen und besprechen weitere Schritte. „Nach den vier Wochen zeichnet sich meist ab, welche Hilfe in Frage kommt. Das reicht von einer Schuldnerberatung oder eine Psychotherapie bis zur Erkenntnis, dass für eine Organisation des täglichen Lebens ein gesetzlicher Betreuer notwendig ist“, erklärt Lena Zitzmann.
„Die Ergebnisse und weiteren Schritte besprechen alle Beteiligten gemeinsam mit der oder dem Teilnehmenden in so genannten Fallkonferenzen. So weiß jede und jeder Einzelne, wo er steht. Anschließend setzen wir diese Vorhaben gemeinsam um. Diese enge Zusammenarbeit im interdisziplinären Team macht STAR zu etwas Besonderem“, ergänzt Maren Löffler, Projektleiterin beim Jobcenter Mannheim. Entsprechend vielfältig und individuell sind die Erfolge: Sie reichen von entscheidenden gesundheitlichen Schritten wie dem Besuch beim Facharzt über ein Bewerbungstraining bis hin zu einer geringfügigen Beschäftigung.
STAR läuft als Projekt zunächst vier Jahre. Um Betroffenen noch besser helfen zu können, werden die Erfahrungen wissenschaftlich ausgewertet. Die Rückmeldungen der bisherigen Gruppen bestätigen den Erfolg: „Die Teilnehmenden schätzen besonders die Einzelgespräche. Viele sehen sich nach Jahren der Perspektivlosigkeit das erste Mal wieder auf Augenhöhe abgeholt“, sagt Lena Zitzmann. Der erste Schritt zur Veränderung ist gemacht.